Unterschiedliche Rekombinationsraten halten besonders egoistische Gene im Zaum

Ein Hamletbarsch kann Vater und Mutter seiner Nachkommen sein – eine Eigenschaft, die Forschern hilft aufzuklären, warum Gene in einem Geschlecht oft stärker rekombiniert werden

16. Januar 2017

Ob Pflanze oder Tier – beim Übergang von einer Generation zur nächsten werden die Gene neu gemischt, bevor sie auf Ei- und Samenzellen verteilt werden. In der Regel werden die Gene in den Keimzellen des Elternteils mit unterschiedlichen Geschlechtschromosomen, meistens also dem männlichen Organismus, jedoch weniger oder gar nicht gemischt. Forscher des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön haben zusammen mit Kollegen vom Helmholtz Zentrum für Meeresforschung in Kiel, der Universität Kiel und dem Smithsonian Tropical Institute in Panama eine mögliche Ursache für dieses Phänomen gefunden. Dazu analysierten sie die Rekombinationsraten eines ungewöhnlichen Modellorganismus: des aus der Karibik stammenden Schwarzen Hamletbarsches Hypoplectrus nigricans.

Hamletbarsche sind Zwitter und können zugleich Vater und Mutter ihrer Nachkommen sein. Die Gene ihrer Eizellen werden dabei stärker durchmischt als die ihrer Spermien.

Während der Bildung von Spermien und Eizellen werden die Chromosomen teilweise zerstückelt und neu zusammengesetzt – ein Vorgang, der als Rekombination bekannt ist und eine wichtige Triebfeder für die Evolution darstellt, denn so können neue Erbgutvarianten entstehen. Wie stark das Erbgut der Keimzellen jedoch durchmischt wird, hängt vom Geschlecht ab: In der Regel werden die Keimzellen des Elternteils mit gleichen Geschlechtschromosomen (XX) stärker rekombiniert als die des Elternteils mit unterschiedlichen Geschlechtschromosomen (XY) – ein Effekt, der in der Tier- und Pflanzenwelt weit verbreitet und als Haldane-Huxley-Regel bekannt ist.

Seit Langem suchen Wissenschaftler nach der Ursache dieses Phänomens. Der Schwarze Hamletbarsch hat dieses Rätsel mit seinem ungewöhnlichen, simultanen hermaphroditischen Paarungsverhalten zumindest ein Stück weit gelüftet. Im Gegensatz zu vielen anderen Fischen lässt sich Hypoplectrus nigricans bei seinen täglichen Paarungsspielen vor der Küste Panamas nämlich nicht von Beobachtern stören. So konnten Taucher auf seine kuriose Fortpflanzung aufmerksam werden: Der Zwitter-Fisch kann nicht nur selbst Eier legen, sondern auch fremde Eier besamen. Gemeinsam mit einem Partnerfisch zeugt er so in abwechselnder Reihenfolge einen Teil seines Nachwuchses als Vater, den anderen Teil als Mutter.

Eizellen werden stärker rekombiniert als Spermien

Die Wissenschaftler haben nun den Nachwuchs eines Hamletbarsch-Pärchens genau untersucht und das Erbmaterial der Fischlarven entschlüsselt. Gemeinsam mit der Erbinformation der erwachsenen Fische konnten die Forscher nachverfolgen, welche Teile des Genoms ein Elternteil beigesteuert hat und welche Abschnitte neu kombiniert wurden. „Unsere Analyse hat ergeben, dass die Fische als Zwitter zwar Spermien und Eizellen produzieren, ihre Gene aber bei der Bildung von Eizellen stärker neu kombiniert werden als bei der Bildung von Spermien“, erklärt Loukas Theodosiou vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie für Evolutionsbiologie in Plön.

Die „female meiotic drive“-Theorie

Durch die detaillierte Erbgutanalyse haben die Forscher ein Muster gefunden, das zu einer Erklärung für die Haldane-Huxley-Regel passt. „Da ein Hamletbarsch sowohl Ei- als auch Spermienzellen produziert, können wir jetzt andere Ursachen für die unterschiedlichen Rekombinationsraten ausschließen“, sagt Theodosiou. Der sogenannten „female meiotic drive“-Theorie zufolge sind die verschiedenen Rekombinationsraten ein Resultat der unterschiedlichen Bildung männlicher und weiblicher Keimzellen.

Bei Säugetieren beispielsweise wird das Erbgut von Vorläuferkeimzellen im männlichen Geschlecht auf vier Keimzellen verteilt. In den weiblichen Tieren gehen jedoch drei dieser Zellen wieder zugrunde. Übrig bleibt nur eine einzige Eizelle mit dem in ihr befindlichen Erbgut. Dadurch konkurrieren die Gene des weiblichen Organismus bereits bei der Bildung der Keimzellen darum, in genau dieser Eizelle vertreten zu sein.

Manche Gene oder Chromosomenabschnitte besitzen die Fähigkeiten, sich auf Kosten der anderen überproportional häufig einen Platz in der Eizelle zu sichern. Dies kann manchmal unerwünschte Folgen haben: Der Wettbewerb zwischen den Erbgutabschnitten kann zu Fehlern bei der Verteilung von Chromosomen bei der Bildung der Geschlechtszellen führen. Zudem können sich in solchen Abschnitten schädliche Genvarianten anhäufen.

Das häufige Ausschneiden, Austauschen und Wiedereinsetzen von Genabschnitten bei der Bildung von Eizellen könnte also entstanden sein um zu verhindern, dass Genregionen oder Chromosomen bevorzugt werden. In diesem Fall wäre ein spezielles Rekombinationsmuster auf den Chromosomen zu erwarten. „Genau dieses Muster haben wir beim Hamletbarsch auch entdeckt. Unsere Ergebnisse stehen daher im Einklang mit der These, dass „female meiotic drive“ der Grund für unterschiedlichen Rekombinationsraten sein könnte“, sagt Theodosiou.

Als nächstes wollen die Wissenschaftler die Rolle der Rekombination bei der Kreuzung verschiedener Arten untersuchen. Auf ihren Tauchgängen vor der Küste Panamas sind die Forscher immer wieder auf neue Varianten der bunten Tropenfische gestoßen. „Hamletbarsche sind gerade dabei, neue Arten zu bilden. Durch die Erbgutanalyse dieser Varianten und ihrer Kreuzungen können wir also der Evolution förmlich bei der Arbeit zusehen.“

MT/HR

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