Max-Planck-Forschungsgruppe Biologische Uhren (Kaiser)

Max-Planck-Forschungsgruppe Biologische Uhren (Kaiser)

Das Leben auf unserem Planeten wird durch die regelmäßigen Zyklen von Jahreszeiten, Tag und Nacht, Mondphasen und Gezeiten strukturiert. Die meisten Lebewesen nutzen körpereigene biologische Uhren, um sich auf  die regelmäßig wiederkehrenden Veränderungen in ihrer Umwelt einzustellen. Bisher kennen wir lediglich die molekularen Prozesse der circadianen Uhr, die die täglichen Rhythmen von Stoffwechsel und Verhalten steuert. Die molekularen Grundlagen von Jahres-, Mond- und Gezeitenuhren dagegen sind noch weitgehend unbekannt.

In unserer Arbeit versuchen wir zu verstehen, welchen Einfluss biologische Uhren auf evolutionäre und ökologische Prozesse haben - zum Beispiel dadurch, dass Organismen zu verschieden zeiten aktiv sind. Gleichzeitig versuchen wir die molekularen Grundlagen der Monduhr (circalunare Uhr) zu ermitteln. Unser Modellorganismus, die marine Zuckmücke Clunio marinus (Diptera: Chironomidae), erlaubt es, beiden Fragen zugleich nachzugehen.

Die Mücke Clunio marinus lebt in der Gezeitenzone der europäischen Atlantikküste. Die erwachsenen Mücken (Imagines) leben nur wenige Stunden, die sie ausschließlich der Fortpflanzung widmen. Dieses Ereignis wird genau auf die niedrigsten Niedrigwasserstände abgestimmt, die regelmäßig zu den Springtiden um Voll- und Neumond wiederkehren. Diese beachtliche Synchronisationsleistung wird durch eine Monduhr ermöglicht, die die Entwicklung und Reifung der Mückenlarven kontrolliert, so dass die erwachsenen Mücken ausschließlich zu Voll- und Neumond aus den Puppen schlüpfen können. An den Schlüpftagen sorgt eine Tagesuhr (circadiane Uhr) dafür, dass das Schlüpfen nur zum Zeitpunkt des Niedrigwassers stattfindet. Die frisch geschlüpften Mücken paaren sich sofort und sterben in der auflaufenden Flut.

An einem bestimmten Ort kehrt die für die Fortpflanzung geeignete Gezeitensituation immer zur selben Zeit des Mondmonats und des Tages wieder. Entlang der Küstenlinie unterscheiden sich die Gezeitenmuster jedoch von Ort zu Ort erheblich. Clunio-Populationen an verschiedenen Orten zeigen daher genetische Anpassungen an das lokale Gezeitenmuster in mehreren Aspekten ihrer Mond- und Tagesuhren. Zudem existieren an einigen Orten entlang der Küste mehrere Clunio-Stämme, die sich auf verschiedenen ökologische "Zeit-Nischen" spezialisiert haben.

Ausgehend von diesen genetisch festgelegten Anpassungen in den biologischen Rhythmen verschiedener Clunio Populationen, konnten wir mit Hilfe genetischer Kartierungen, Genom-Screenings und vergleichender molekularer Analysen erste adaptive Uhr-Gene identifizieren. Die Anwendung dieses Ansatzes auf Unterschiede im Mondrhythmus ermöglicht es uns, Zugang zu den bisher nicht bekannten molekularen Grundlagen der Monduhr zu erhalten.

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