Kooperation auf allen Ebenen
Spielexperimente mit multiplen Kanälen: Kooperatives Verhalten ist langfristig noch vorteilhafter als gedacht
Die Spieltheorie untersucht wie sich Menschen in strategischen Entscheidungssituationen verhalten. Computersimulationen, bei denen der Ablauf von tausenden aufeinanderfolgenden Spielexperimenten errechnet wird, können dabei helfen, die langfristigen Vor- und Nachteile verschiedener Strategien zu erkennen. In vielen Entscheidungssituationen gibt es zwei Hauptstrategien: die Spielpartner zu unterstützen, also mit ihnen zu kooperieren, oder sich nur auf seinen eigenen momentanen Vorteil zu konzentrieren, also nicht zu kooperieren. Was ist auf längere Sicht erfolgreicher für den Einzelnen?
Bisherige Experimente haben schon gezeigt, dass sich Kooperation langfristig auszahlen kann: Wenn ich selbst kooperiere, ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass im nächsten Spielzug oder im nächsten Spiel mein Spielpartner ebenfalls kooperiert, was wiederum mir nützt.
Diese bisherigen Forschungen haben aber einen Schwachpunkt: Sie beziehen sich immer nur auf ein einzelnes Spiel, das immer wieder wiederholt wird. Das ist aber nicht sehr realitätsnah: Menschen nehmen normalerweise parallel an vielen verschiedenen Interaktionen teil. Teammitglieder arbeiten zeitgleich zusammen an mehreren Projekten, und sogar ganze Nationen interagieren in einer Vielzahl von Fragen miteinander, z.B. Handel, Klimawandel oder Sicherheit.
Forscherinnen und Forscher am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie, der Cornell University (USA), der Harvard University (USA) und der University of Exeter (Großbritannien) haben darum eine neue Methode für diese Experimente entwickelt: In den Computersimulationen nehmen die gleichen Spieler parallel an verschiedenen, wiederholten Spielen teil („Multi-Channel-Games“). Sie entwickeln also auch komplexere Strategien, die ihr Verhalten in allen Spielen auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Die Wissenschaftlerinnen konnten zeigen, dass sich bei diesen realitätsnäheren Experimenten kooperatives Verhalten langfristig sogar noch deutlicher auszahlt als bei den klassischen Simulationen von einzelnen, isolierten Spielen. So können sich Interessensbindungen in dem einen Spiel als Hebel für die Kooperation in einem anderen Spiel erweisen. Durch diese Verknüpfungen wird die Zusammenarbeit insgesamt erleichtert.
Link zur Publikation: https://www.nature.com/articles/s41467-020-17730-3