Schere, Stein, Papier – kann „zyklische Dominanz“ die Vielfalt der Arten und Individuen erklären?
Evolutionstheoretiker am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie haben ein Computersimulations-Modell entwickelt, das das seltene Vorkommen der zyklischen Dominanz in der Natur mathematisch erklären und belegen kann. Mathematische Modelle können so ökologische Forschungen stützen.
Eines der ungelösten Rätsel in der Evolutionstheorie ist die ungeheure Vielfalt der Individuen in der Natur, nicht nur zwischen den Arten, sondern auch innerhalb einer Spezies. Eigentlich müsste sich ein Typ durchsetzen und alle anderen dominieren.
Schaut man sich Dominanzverhältnisse in der Evolutionstheorie allerdings genauer an, wird schnell klar, dass es gar nicht immer so eindeutig ist, wer von wem dominiert wird und wer sich unterordnet. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die so genannte „zyklische Dominanz“, die sich leicht mit dem bekannten Spiel „Schere, Stein Papier“ veranschaulichen lässt: Schere schneidet Papier, Papier wickelt Stein ein, Stein schleift Schere. Ein „Kreislauf der Dominanz“ ensteht, jede der Handgesten dominiert und wird gleichzeitig dominiert. Was hier in einer Dreierkonstellation dargestellt wird, lässt sich in der Theorie auf beliebig viele verschiedene Typen ausweiten. Für manche Wissenschaftler ist dies ein Erklärungsmodell für die Diversität und die ausbalancierte Koexistenz vieler verschiedener Arten.
Es gibt aber einen Haken: In der Natur sind nur wenige Beispiele von zyklischer Dominanz innerhalb einer Art belegt. Ein Beipiel in der Mikrobiologie sind giftproduzierende E.Coli – Zellen, die andere Zellen zerstören können, die auf das Gift reagieren. Die giftigen Zellen werden aber wiederum von denjenigen Zellen dominiert, die nicht auf das Gift reagieren. Die gift-sensitiven Zellen können in der Folge dann aber auch wieder die resistenten Zellen dominieren, da sie die giftigen Zellen nicht mehr abwehren müssen. So ensteht ein Dominanz-Zyklus. Es sind auch andere Beispiele in der Biologie beschrieben, insgesamt bleiben diese Beobachtungen aber sehr selten. Warum ist das so?
Die Evolutionstheoretiker Hye-Jin Park, Yuriy Pichugin und Arne Traulsen haben jetzt ein Computersimulations-Modell entwickelt, das das seltene Vorkommen der zyklischen Dominanz in der Natur mathematisch erklären und belegen kann. In diesem Modell treten in einer Population ständig neue Mutationen und damit Typen auf. Das Forscherteam konnte zeigen, dass zyklische Dominanz in den Simulationen insgesamt selten entstand und andauerte, und zwar umso seltener, je mehr sich die Individuen gleichen. „Es ist schwierig, innerhalb einer Population zyklische Dominanz zu evolvieren. Etwas einfacher ist es dann, wenn neue Typen in eine Population einwandern. Aber die Bedingungen dafür zu erfüllen, ist nicht leicht“, so Hye-Jin Park, seit kurzem Professorin in Pohang in Südkorea. Diese Simulationsexperimente können also das seltene Auftreten von zyklischer Dominanz in der Natur erklären.
Diese Forschungsergebnisse sind ein gutes Beispiel dafür, wie ökologische Beobachtungen sich mit evolutionstheoretischen Berechnungen und Modellen ergänzen und untermauern lassen.