Kein Grund zur Sorge vor genetischer Erosion

Ergebnisse einer siebenjährigen Studie des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie und der Universität Edinburgh zeigen beruhigende Perspektiven für die langfristige genetische Entwicklung.

30. September 2024

Forschende des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön und der Universität Edinburgh haben in einer umfassenden Untersuchung erstmals die Auswirkungen der Anhäufung von Mutationen auf verschiedene Merkmale, einschließlich der reproduktiven Fitness, bei Säugetieren analysiert. Über einen Zeitraum von sieben Jahren wurden Labormäuse untersucht, deren Mutationsmechanismen denen des Menschen stark ähneln.

In ihrem Projekt wurde ein sorgfältig geplantes Mutationsakkumulations-Experiment durchgeführt. Ausgehend von genetisch identischen Mäusepopulationen züchteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über 21 Generationen hinweg parallel 55 Linien durch kontrollierte Geschwisterpaarungen. Dabei wurden die Veränderungen verschiedener Merkmale der Tiere genau protokolliert. Um sicherzustellen, dass die beobachteten Veränderungen nicht durch Umwelteinflüsse bedingt waren, wurden Embryonen der ursprünglichen Ausgangsstämme eingefroren und erst gegen Ende des Experiments wiederbelebt. Diese Methode ermöglichte es, die genetischen Anteile der Merkmalsveränderungen von den umweltbedingten zu unterscheiden.

„Dies ist das erste Mal, dass Kontrolllinien in Experimenten zur Anhäufung von Mutationen verwendet wurden, was es uns ermöglichte, die genetischen Komponenten der Merkmalsveränderungen von den umweltbedingten zu unterscheiden“, erklärt Dr. Jobran Chebib, Dozent an der School of Biological Sciences der Universität Edinburgh.

Theoretische Überlegungen aus früheren Arbeiten deuteten darauf hin, dass ein Verlust der genetischen Fitness von bis zu fünf Prozent pro Generation möglich sei, sollte die natürliche Selektion aufhören. Die neue Studie zeigt jedoch, dass der tatsächliche Rückgang der genetischen Fitness durch die Ansammlung schädlicher Mutationen deutlich geringer ausfällt, als bisher vermutet. Die Forschenden schätzen, dass dieser Wert mindestens zehnmal kleiner ist als in früheren Annahmen. Besonders beim Menschen ist die Wahrscheinlichkeit für genetische Erosion durch schädliche Mutationen gering, da keine Geschwisterpaarungen stattfinden, wie es im Experiment der Fall war.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass kurzfristige Umweltprobleme für die Menschheit eine größere Herausforderung darstellen als langfristige genetische Veränderungen“, fassen die Forschenden ihre Erkenntnisse zusammen.

Die Studie bietet eine fundierte Grundlage für die Einschätzung potenzieller genetischer Entwicklungen beim Menschen und liefert wertvolle Einblicke in die Mechanismen der genetischen Anpassung. Die Ergebnisse sind nicht nur beruhigend, sondern lenken den Blick auch auf die Bedeutung des Umweltschutzes und der Anpassung an sich ändernde Lebensbedingungen.

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