Wie wirkt sich Ungleichheit auf Kooperation und Koordination aus?

20. März 2023

Kollektive Interaktionen, wie beispielsweise Teamarbeit, sind ein wesentlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens. Aber oft enthalten solche Interaktionen ein Element eines sozialen Dilemmas: Einzelne möchten, dass ihr kollektives Handeln erfolgreich ist, aber gleichzeitig haben sie einen Anreiz, die Beiträge anderer zu missbrauchen. Probleme mit kollektivem Handeln sind besonders schwierig in heterogenen Gruppen, in denen sich Einzelne in ihren Motivationen und ihrem Einfluss unterscheiden. In solchen asymmetrischen Szenarien ist eine wichtige Frage, wie sich die Individuen zu einer stabilen Zusammenarbeit koordinieren.

Verschiedene Bereiche, von der Wirtschaft bis zur Biologie, versuchen, soziales Verhalten zu verstehen. Soziale Interaktionen werden besonders interessant, wenn es Ungleichheiten gibt. In realen Gruppen unterscheiden sich die Individuen oft erheblich darin, was sie tun können und welche Konsequenzen ihre Handlungen haben. Solche Ungleichheiten werfen natürlich mehrere Fragen auf. Wie wirken sich beispielsweise verschiedene Arten von Ungleichheit auf die Art und Weise aus, wie Menschen kooperieren? Und wie wirken sie sich darauf aus, wie Menschen Erwartungen über das Verhalten anderer bilden? Vor kurzem haben Xiaomin Wang, Marta C. Couto und Christian Hilbe von der Forschungsgruppe Dynamik des Sozialverhaltens am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie diese Fragen in Zusammenarbeit mit einem Forscherteam der Beijing Normal University untersucht. Dazu nutzen sie Experimente mit Menschen und mathematische Modelle der Spieltheorie. Die wichtigsten Ergebnisse zeigen, dass es bei ungleichen Menschen zu einer Diskrepanz in den Erwartungen kommen kann. Diese Diskrepanz kann die Zeit, die Menschen brauchen, um sich auf ein optimales kollektives Ergebnis zu einigen, weiter verzögern. Positiv ist jedoch, dass die Menschen selbst bei exogener Ungleichheit eine Vorliebe für Fairness zeigen.

Um die Koordination in heterogenen Gruppen zu untersuchen, haben die Forscher folgendes Spiel untersucht. Zwei Spieler haben eine Anfangsausstattung (d.h. ihr Vermögen). Beide müssen gleichzeitig entscheiden, wie viel sie von ihrem Vermögen in einen gemeinsamen Topf werfen wollen. Jeder Beitrag wird mit einem Produktivitätsfaktor multipliziert (d.h. mit der Effizienz ihrer Beiträge zum öffentlichen Gut). Wenn der kollektive Betrag gleich oder höher ist als ein vorher festgelegter Wert (die Schwelle), erhalten alle Spieler:innen eine Belohnung (hier, den gemeinsamen Nutzen). Die Belohnung ist immer dieselbe, egal ob die Gruppe den Schwellenwert genau erreicht oder überschreitet. Folglich handelt es sich um ein Koordinationsproblem: Die beiden Spieler:innen haben einen Anreiz, sich entweder so abzustimmen, dass sie keinen Beitrag leisten oder so, dass der Schwellenwert genau erreicht wird. Den Schwellenwert anzustreben ist riskant: Wenn die Gesamtbeiträge der Spieler:innen den Schwellenwert nicht erreichen, verlieren sie alle bereits geleisteten Beiträge. Gleichzeitig ist es besser, den Schwellenwert zu erreichen, als nichts beizutragen, da die Spieler:innen eine angemessene Belohnung erhalten. Doch selbst wenn die Spieler:innen das Ziel haben, den Schwellenwert zu erreichen, gibt es viele Möglichkeiten, dies zu erreichen, da beide mehr oder weniger gleich viel beitragen können. Vor allem würde jede Seite es immer vorziehen, wenn der Mitspieler einen größeren Anteil beisteuern würde. Die Frage ist also: Auf welches dieser Ergebnisse einigen sich die Menschen letztendlich?

Beobachten von menschlichem Verhalten

Um echtes menschliches Verhalten zu beobachten, ließen die Forscher:innen Schüler:innen dieses Koordinationsspiel in einem Computerlabor mehrere Runden lang gegen denselben Mitspieler spielen (siehe Abbildung). Die Forscher fanden heraus, dass die meisten Paare lernen, sich bei einem kooperativen Ergebnis zu koordinieren (d.h. sie erreichen schließlich die Schwelle). Wenn die Spieler:innen völlig gleich ausgestattet sind, einigen sie sich außerdem schnell darauf, den gleichen Beitrag zu leisten.

Wenn jedoch jede Seite unterschiedlich ausgestattet ist, dauert es länger, bis der Schwellenwert erreicht wird, und manchmal wird dieser gar verfehlt. In Spielen mit asymmetrischer Ausstattung gibt es verschiedene Heuristiken, die die Spieler:innen für ihre Entscheidungen nutzen können. Sie könnten es zum Beispiel für fair halten, den gleichen absoluten Betrag wie ihr Interaktionspartner beizusteuern. Oder sie halten es für fair, wenn beide Personen den gleichen Anteil ihres Vermögens beisteuern. Wenn die Teilnehmer/innen unterschiedliche Erwartungen an das Spiel haben, kann dies zu einer anfänglichen Diskrepanz zwischen den Beiträgen führen. Diese anfängliche Diskrepanz führt wiederum dazu, dass deutlich mehr Spielerpaare die Schwelle nicht erreichen.

Interessanterweise beobachteten die Forscher solche Koordinationsfehler nicht, wenn sich die Teilnehmer:innen in ihrer Produktivität und nicht in ihrer Ausstattung unterschieden. In diesem Fall neigen die Teilnehmer einfach dazu, den gleichen Beitrag beizusteuern, unabhängig davon, wie produktiv diese Beiträge sind. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen ein effizienteres Ergebnis (bei dem der produktivere Spieler mehr beiträgt und die kollektive Auszahlung größer ist) zugunsten eines egalitären Ergebnisses ablehnen. Überraschenderweise einigen sich die Menschen recht schnell auf dieses Ergebnis, selbst die Spieler, die von einem effizienteren Spiel profitieren würden.

Des weiteren haben die Forscher auch mehrere mathematische Modelle analysiert, die die beobachteten Regelmäßigkeiten erklären könnten. Wenn die Modelle davon ausgehen, dass das anfängliche Verhalten der Spieler:innen zufällig ist, passen die entsprechenden Modelle schlecht zu den empirischen Ergebnissen. Das heißt, wenn wir wenig über das anfängliche Verhalten der Menschen wissen, ist es schwer, ihre zukünftigen Handlungen vorherzusagen. Wenn wir jedoch etwas über die anfänglichen Tendenzen der Menschen wissen, liefern die Modelle genauere Vorhersagen. Diese Erkenntnis bestätigt, dass das, was Menschen in den ersten Runden eines Koordinationsspiels tun, einen großen Einfluss auf das weitere Schicksal der Begegnung hat.

Diese Arbeit wurde in den Philosophical Transactions of the Royal Society B unter dem Titel "Half a century of evolutionary games: a synthesis of theory, application, and future direction" veröffentlicht.

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