Evolutionsbiologie trifft auf die Antibiotikakrise
Fachtagung zur Antibiotikaresistenz am Max-Planck-Institut in Plön
Vom 24. bis 26. September 2024 fand im Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön die zweite Fachtagung zum Thema Antibiotikaresistenzen unter dem Titel „Evolutionary biology meets the antibiotic crisis“ statt. Die Tagung, organisiert von Prof. Dr. Hinrich Schulenburg (Kiel/Plön) und Prof. Dr. Jens Rolff (Berlin), brachte rund 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen zusammen, um drängende Fragen zur wachsenden Bedrohung durch antibiotikaresistente Krankheitserreger zu diskutieren.
Teilnehmende Expertinnen und Experten aus Städten wie Zürich, Basel, Wien, Berlin sowie aus Norddeutschland – darunter Plön, Lübeck, Borstel und Kiel – setzten sich aus Evolutionsbiologen, theoretischen Biologen sowie Fachleuten der Human- und Veterinärmedizin zusammen. Besonders hervorzuheben sind Beiträge von Annelies Zinkernagel, Klinikerin aus Zürich und ehemalige Präsidentin der European Society for Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID), sowie vom Zürcher Mathematiker und Evolutionsbiologen Sebastian Bonhoeffer. Ebenfalls präsent waren zum Beispiel Annette Moter (Berlin), Expertin für bakterielle Infektionen, Marcus Fulde und Georg von Samson-Himmelstjerna aus dem Fachbereich Veterinärmedizin Berlin oder auch verschiedene Mitglieder des Max-Planck Instituts in Plön wie Hildegard Uecker, Frederic Bertels und Arne Traulsen.
Evolutionsbiologie als Schlüssel zur Bekämpfung der Antibiotikakrise
Im Mittelpunkt der Tagung stand die Frage, inwiefern evolutionsbiologische Ansätze neue Lösungsstrategien zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenz bieten können. Antibiotikaresistente Krankheitserreger sind verantwortlich für jährlich etwa 1,3 Millionen Todesfälle weltweit und tragen indirekt zu insgesamt 5 Millionen Todesfällen pro Jahr bei. Die zunehmende Verbreitung von Resistenzen beruht auf evolutionären Prozessen, die bislang in der Entwicklung von Gegenmaßnahmen nur unzureichend berücksichtigt wurden.
Die Konferenz beleuchtete verschiedene innovative Ansätze aus der Evolutionsbiologie, darunter der Einsatz antimikrobieller Peptide, die seit Millionen Jahren als Teil des Immunsystems gegen Krankheitserreger wirken und gegen die Resistenzen in der Regel selten evolvieren. Weitere Diskussionen drehten sich um die Ausnutzung von sogenannten Trade-Offs – evolutionäre Kosten der Resistenzentwicklung, die bei der Behandlung gezielt genutzt werden können. Auch der Einsatz von Bakteriophagen, bakteriellen Toxinen und antiviralen Stoffen wurde intensiv diskutiert.
Neue Perspektiven durch mathematische Modelle
Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung war der Einsatz mathematischer Modelle, die helfen können, eine größere Vielfalt an Behandlungsstrategien zu analysieren und zu optimieren. Diese Modelle bieten neue Einblicke in die Faktoren, die die Evolution von Antibiotikaresistenzen beeinflussen, und könnten zur Entwicklung nachhaltigerer Therapien beitragen.
Herausforderungen und Ausblick
Obwohl es bereits bedeutende Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung gibt, stellt die praktische Umsetzung der evolutionsbasierten Behandlungsansätze weiterhin eine Herausforderung dar. Hier sind enge Kooperationen zwischen Evolutionsbiologen, Mathematikern und Klinikern notwendig, um die neuen Ansätze erfolgreich auf Patientinnen und Patienten anzuwenden.
Der interdisziplinäre Austausch auf der Tagung war besonders wertvoll, da er viele neue Ideen für Forschungsprojekte hervorgebracht hat. So wiesen klinische Untersuchungen auf spezifische Resistenzphänomene hin, die in mathematischen Modellen bisher unzureichend berücksichtigt werden. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen.
Ausblick: Nächste Fachtagung im Herbst 2026
Aufgrund des großen Erfolgs der diesjährigen Veranstaltung ist bereits eine weitere Fachtagung geplant. Diese wird im Herbst 2026, dann im neuen Gebäude des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön, stattfinden. Die Organisatoren erwarten erneut spannende Diskussionen und hoffen, weitere Fortschritte im Kampf gegen die Antibiotikakrise zu erzielen.